In Zeiten des Fachkräftemangels boomt das Geschäft mit Mietköchen und Freelancern. Sie unterstützen in Spitzenzeiten oder bei krankheitsbedingten Engpässen. Fatal: Längst haben die Personaldienstler selbst Probleme, Aushilfsköche zu finden.
Eine Bestandsaufnahme in Berlin ...
„Zum Thema Mietköche könnte ich inzwischen ein Buch schreiben“, erzählt der Küchenchef eines Berliner Caterers. Er möchte namentlich nicht genannt werden, weil er auch künftig auf die Zusammenarbeit mit Mietköchen und ihren Agenturen angewiesen ist. Seine Erfahrung: „Dort arbeiten zum Teil absolute Luschen, die überhaupt keinen Bock auf Arbeit haben und lediglich schnelles Geld verdienen wollen.“ Manche Köche seien nicht einmal in der Lage, Zwiebeln zu schneiden, einen Salat ordentlich anzurichten; geschweige denn, eine Brühe anzusetzen. „Damit nicht genug, laufen sie zu Dienstbeginn in zerknitterten, ungewaschenen Kochjacken auf, sind unrasiert und tragen zerfetzte Kochhosen“, berichtet der Berliner Küchenchef weiter und wettert: „Wir weisen die Personaldienstleister immer wieder darauf hin, dass sie für ein einheitliches Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter sorgen sollen, doch nicht mal das kriegen sie hin.“ Und wenn er beispielsweise für eine Großveranstaltung 30 Mietköche benötigt, bucht er inzwischen gleich 35, da erfahrungsgemäß rund zehn Prozent erst gar nicht zur Arbeit erscheinen.
Trotzdem: Ohne Mietköche und Freelancer geht heute in vielen Küchen nichts mehr. Egal ob Events, Banketts, Saisonbetrieb oder Gemeinschaftsverpflegung – die Nachfrage nach Köchen auf Zeit ist in den letzten Jahren explodiert. Noch vor 20 Jahren waren Unternehmen für Personaldienstleistungen und Leasing von Köchen in der Branche weitgehend unbekannt. Doch mit dem steigenden Kostendruck schrumpften die bis dato auf Spitzenbelastung ausgelegten Küchenbrigaden auf ein Minimum. In Hotels beispielsweise, wo Ende der 1990er Jahre noch 60 Köche arbeiteten, wurden die Brigaden radikal um bis zu zwei Drittel gekappt. Für große Banketts engagierten die Küchenchefs stattdessen Aushilfen (meist Köche aus anderen Hotels, die sich am freien Tag etwas dazu verdienten). Es dauerte nicht lange, bis die ersten Unternehmer diese Marktlücke entdeckten und das Geschäft mit Aushilfsköchen professionalisierten.
Neben Personaldienstleistern, die keine Skrupel haben, selbst ungelernte Küchenhilfen in Kochuniformen zu stecken und als „Köche“ zu vermieten, gibt es natürlich die absolut professionell arbeitenden Unternehmen, die sich auf die individuellen Anforderungen ihrer Kunden eingestellt haben. Sie schulen ihre Mitarbeiter, definieren Standards, stellen bzw. subventionieren einheitliche Kochuniformen und
Messersets oder stellen ihnen in der Einarbeitungsphase bei einem Neukunden einen erfahrenen Koch als Coach zur Seite. Branchenvorbilder wie beispielsweise Der Otte, SidebySide, GVO oder Buhl setzen schon seit Jahren auf Qualität statt Quantität.
Carsten Otte, der Gründer und Geschäftsführer von Der Otte in Berlin, beschäftigt sogar drei Konditoren und Pâtissiers, die von Hotels, Restaurants und Caterern für besondere Anlässe gebucht werden. Darüber hinaus vermitteln die Unternehmen inzwischen nicht nur Allrounder, sondern auch Spezialisten für Bereiche wie Frontcooking in Betriebsrestaurants, das à la carte-Geschäft in der Top-Gastronomie, Bankett- und Event sowie Krankenhaus und Altenheim. Selbst erfahrene Küchenchefs auf Zeit sind buchbar, wenn beispielsweise eine Führungskraft wegen Krankheit für mehrere Monate ausfällt. In Berlin liegen die Kosten für einen Mietkoch nach wie vor unter dem Bundesdurchschnitt. Während im Bundesgebiet zwischen 20 und 30 Euro pro Stunde in Rechnung gestellt werden, sind es in Berlin aufgrund der Wettbewerbssituation unter den Dienstleistern erst 23 bis 24 Euro. Mittelfristig müssen auch die Berliner Kunden tiefer in die Taschen greifen. „Auch wir wollen unsere Mitarbeiter anständig bezahlen“, sagt Carsten Otte, vom Berliner Personalleasing-Unternehmen Der Otte. „Leider versuchen einige Unternehmen mit Dumping-Preisen Marktanteile zu gewinnen. Diese Strategie geht aber nicht auf, weil die Qualität nicht stimmt und es zum Glück immer mehr Kunden gibt, die sich auf solche Spielchen nicht mehr einlassen.“
Neben den über Agenturen buchbaren klassischen Mietköchen nimmt auch die Zahl der Freelancer zu. Dabei handelt es sich um selbstständige Köche, die auf eigene Rechnung arbeiten. Sie sind aufgrund ihrer guten Ausbildung und Qualität allerdings oft deutlich teurer als Mietköche. Wer als Freelancer arbeiten möchte, muss nachweisen können, dass er mehrere Aufraggeber hat, um nicht mit dem Thema Scheinselbstständigkeit konfrontiert zu werden. Einige Arbeitgeber fordern inzwischen von freien Mitköchen auch einen Nachweis über die pünktliche Zahlung von Sozialabgaben und Steuern. Ansonsten besteht das Risiko, dass das Finanzamt beispielsweise die Steuern beim Arbeitgeber nachfordert.
Personaldienstleister sind heute auch für viele Köche eine Alternativen zu klassischen Arbeitgebern. Vor allem die Abwechslung, der hohe Grad der Flexibilität, die guten Verdienstmöglichkeiten machen für sie die Arbeit attraktiver und interessanter als in einem Hotel oder Restaurant.
Für viele Betriebe sind Mietköche die letzte Rettung. Inzwischen schlägt der Fachkräftemangel aber auch auf die Mietkochbranche durch. „Vor drei Jahren hatte ich noch 60 Köche in Vollzeit auf der Payroll, aktuell sind es 35, die rund um die Uhr im Einsatz sind“, sagt Carsten Otte. „Ich würde liebend gerne sofort zehn Köche einstellen, aber ich finde kaum noch gute Leute.“ Daher bildet er in Kooperation mit anderen Unternehmen selbst engagierte Studenten zu Büfettkräften und Küchenhilfen aus.
Neue Wege geht auch das bundesweit agierende Unternehmen GVO aus Osnabrück. Gemeinsam mit der Deutschen Hotel-Akademie (DHA) in Köln hat der Personaldienstleister für talentierte Köche das Programm Cook’n’career aufgelegt. Parallel zu ihrer Tätigkeit bei GVO können sie im Rahmen eines Fernstudiums den Abschluss zum Küchenmeister/zur Küchenmeisterin oder zum/r Fachwirt/in im Gastgewerbe machen. Und noch eine neue Strategie bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte setzt GVO Personal derzeit um: Mit der Aktion „Ein Smart für jeden Koch“ geht das Unternehmen neue Wege in der aktiven Mitarbeitergewinnung und -bindung: Es stellt jedem Koch und jeder Servicekraft in Vollzeit einen Kleinwagen
kostenlos zur Verfügung. Geschäftsführer Andree Westermann rechnet mit rund 100 Autos, die im Zuge dieses Projekts angeschafft werden. Das Fahrzeug stehe Köchen und Servicekräften während ihrer gesamten Dienstzeit für die GVO Personal zur privaten Verfügung.
Ansichten eines Auftraggebers zum Thema Mietkoch:
Andreas Hardi Flechtner, Küchendirektor bei Capital Catering in Berlin ...
Zu den Anforderungen an die Dienstleister:
Ich erwarte von einem guten Dienstleister, dass seine Mitarbeiter sauber, ordentlich und gepflegt auftreten. Unsere Regel lautet: gebügelte weiße Jacke, schwarze Hose, schwarze Knöpfe, einheitliche Schürze und saubere Schuhe. Das ist wichtig, weil unsere Gäste davon ausgehen, dass es sich auch bei Mietköchen um Mitarbeiter von Capital Catering handelt. Bei den Köchen der renommierten Personaldienstleister stimmt das Erscheinungsbild. In der Regel ist immer ein Vorarbeiter anwesend, der im Notfall neue Schürzen oder saubere Kochjacken dabei hat.
Über Erfahrungen mit Freelancern:
Früher hatten wir auch selbstständige Mietköche, sprich Freelancer, verpflichtet, die auf eigene Rechnung arbeiten. Das sind meistens Top-Leute, die allerdings auch doppelt so viel kosten wie der Mietkoch eines Personaldienstleisters. Das Problem: Freelancer sind verpflichtet, ihre Sozialabgaben und Steuern selbst zu entrichten. Falls sie das – aus welchen Gründen auch immer – unterlassen, wendet sich beispielsweise das Finanzamt an uns.
Zum Bedarf:
Bei unseren Personaldienstleistern habe ich die Möglichkeit, bestimmte Mitarbeiter, mit denen ich hervorragende Erfahrungen gemacht habe, namentlich zu ordern. Diese Mitarbeiter sind für mich eine wertvolle Stütze und kosten trotzdem nur zwei bis drei Euro mehr. In der Vorweihnachtszeit buche ich für die Produktion von Pralinen sogar zwei Pâtissiers auf Zeit. Es ist schon eine große Hilfe, wenn wir uns solche Spezialisten für bestimmte Zeit ins Haus holen können. Es gab auch schon den Fall, dass ich einen Mietkoch als Kantinenchef übernommen habe, der vorher jahrelang als Aushilfe bei uns gearbeitet hatte. Natürlich habe ich darüber erst mit meinem Dienstleister gesprochen, denn normalerweise gibt es eine dreimonatige Schutzklausel.
Artikel entstand in Kooperation mit dem Magazin chefs!
www.chefs-magazin.de